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Verantwortung ist für alle da!

Autor: Christoph Bauer

Erfolg entsteht gemeinsam, wenn Menschen sich dafür einsetzen und Verantwortung übernehmen. Deswegen wünschen sich Führungskräfte engagierte und verantwortungsvolle Mitarbeitende. Und nicht selten klagen sie darüber.

So auch die Geschäftsführer eines Computerspieleherstellers, mit denen ich vor einiger Zeit über deren Wahrnehmung eines schwindenden Verantwortungsgefühls bei ihren Mitarbeitenden gesprochen habe. Diese Veränderung konnten sie sich nicht erklären. Sie hatten das Gefühl, ihre Mitarbeitenden zeigten nicht mehr das gleiche Engagement, das sie aus der Start-up Zeit gewohnt waren.

Im Laufe des Gesprächs fanden wir heraus, dass das Unternehmen mit zunehmendem Erfolg und Wachstum ihre Strukturen und Prozesse ausdifferenziert hatte. In diesem Zuge wurde unter anderem die Führungsrolle der Produktmanager etabliert. Die Produktmanager sind in diesem Unternehmen Führungskräfte mit fachlicher Verantwortung für ein Spiel, das sie entwickeln. Gleichzeitig sind ihnen die entsprechenden Entwickler disziplinarisch zugewiesen.

Was haben nun ausdifferenzierte Prozesse und Führungsstrukturen mit dem schwindenden Engagement und der geringeren Verantwortungsübernahme der Mitarbeitenden zu tun? Dazu möchte ich euch von einem interessanten Ansatz aus dem Straßenverkehr erzählen. Denn daraus lässt sich einiges lernen zum Thema Verantwortungskultur.

Shared Space – Ein Ansatz erlebter Verantwortung

Der niederländische Verkehrsplaner Hans Monderman hat sich in den 1980er Jahren damit beschäftigt, wie man die Verkehrssicherheit in den Ortschaften erhöhen kann. Durch die Analysen von Verkehrsunfällen kamen Monderman zunehmend Zweifel an den konventionellen Methoden und Instrumenten der Verkehrsführung. Es schien ihm, als ob gerade eine übermäßige Regulierung des Verkehrs die Anzahl der Unfälle erhöhe, weil sich damit die Verkehrsteilnehmer ihrer eigenen Verantwortung entledigt sehen.

Auf der Suche nach Lösungen hat Monderman erstmal in Oudehaske, einem Ort in Friesland, das Konzept des „Shared Space“ umgesetzt. Charakteristisch für das Konzept ist, vollständig auf Verkehrszeichen, Signalanlagen und Fahrbahnmarkierungen zu verzichten. Gleichzeitig sollen die Verkehrsteilnehmer, sprich Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer vollständig gleichberechtigt werden. Damit gibt es auch keine Bordsteine, Bürgersteige oder Radfahrwege mehr. Die Straßenverkehrsordnungen werden reduziert auf „gegenseitiges Rücksichtnehmen“ und das Rechts-vor-Links-Gebot.

Die Effekte waren überraschend. Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge reduzierte sich. Und Dank des besseren Verkehrsflusses halbierte sich die Zeit für eine Wegstrecke. Das Wichtigste aber: die Anzahl der Verkehrsunfälle sank auf null.

Wie kann das sein? Wie kann es sein, dass im ungeregelten Raum weniger Unfälle passierten und die Menschen offenbar mehr Verantwortung füreinander übernommen haben?

Organisierte Verantwortungslosigkeit

Die Erklärung liegt in dem Unterschied zwischen regelhaftem und sozialem Verhalten. Regeln sind Referenzen, an denen wir unser Verhalten ausrichten. Mit der Regelbefolgung glauben wir, unserer Verantwortung gerecht zu werden, tatsächlich geben wir die Verantwortung an das Regelsystem ab. Erst wenn es nicht mehr um das Befolgen von Regeln geht, erleben wir unsere Verantwortung, da wir sie nicht mehr an ein Regelsystem von Ampeln, Schildern oder Verkehrspolizisten delegieren können.

Kehren wir zurück zum Computerspielehersteller. Mit der Einführung von Produktmanagern als Führungskräfte ist eine interne Referenz entstanden, an die die Mitarbeitenden ihre Verantwortung delegieren konnten. Im Gegensatz zum Shared Space Ansatz erlebten die Mitarbeitenden nicht mehr unmittelbar, dass sie selbst in der Verantwortung sind. Denn da gab’s ja immer noch den Produktmanager, den das Unternehmen in der Verantwortung sieht.

Wenn wir wollen, das Mitarbeitende Verantwortung übernehmen, dann sollten wir sie auch verantwortlich machen. Und für sie erlebbar machen, dass es auf ihre Verantwortungsübernahme ankommt. Das bedeutet in der Regel, dass sich die Rolle der Führungskraft verändert und neu definiert werden sollte. Denn solange Organisationen ihre Führungskräfte in die Verantwortung nehmen, bleibt keine Verantwortung für die Mitarbeitenden. Das ist übrigens kein Plädoyer gegen formale Führung oder Hierarchien. Ich plädiere jedoch dafür, Strukturen zu schaffen, in denen jeder Verantwortung übernehmen kann und Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt wird.

Verantwortung braucht einen organisationalen Rahmen

Um eine Verantwortungskultur zu stärken braucht es einen organisationalen Rahmen, der Verantwortung möglich und erlebbar macht. Hier sind einige Empfehlungen dazu:

Handelt Verantwortung neu aus

Es gibt kein entweder-oder. Es ist nicht so, dass entweder die Führungskraft die Verantwortung trägt oder die Mitarbeitenden. Mit unserem LabSample „Delegation Poker“ könnt ihr Verantwortung spezifisch und dynamisch aushandeln.

„Kill your darlings!“ – Prinzipien statt Regeln

In jedem Unternehmen gibt es unzählig viele Regeln. Mit der Regelbefolgung glauben wir, unserer Verantwortung gerecht zu werden, tatsächlich geben wir die Verantwortung an das Regelsystem ab. Nutzt Prinzipien, statt Regelwerke. Das Prinzip „Wir reisen kostengünstig.“ kann komplette Reisekostenrichtlinien überflüssig machen.

Der Dreiklang der geteilten Führung

Verteilt Verantwortung auf verschiedene Rollen. In unserem LabSample „Der Dreiklang der geteilten Führung“ habt ihr ein Instrument um die fachliche, teamorientierte und operative Führung auf verschiedene Rollen und Schultern zu verteilten.

Macht Verantwortung erlebbar

Mit dem Shared Space Konzept erleben wir im Straßenverkehr unmittelbar unsere Verantwortung für ein sicheres Miteinander. In Organisationen ist das nicht immer so. Uns fehlt die Resonanz auf unser Tun. Lasst die Mitarbeitenden also nicht vor der Tür, wenn es um etwas geht. Lasst sie selbst ihre Ergebnisse vertreten, auch vor dem Management.

Das Shared Space Konzept von Monderman wird übrigens weltweit in vielen Orten umgesetzt und auch der Computerspielehersteller hat einen Weg gefunden, Verantwortung nicht nur bei den Produktmanagern zu verorten.

Erfolg entsteht nur mit einer gemeinsamen Verantwortungskultur. Unternehmen sollten Strukturen schaffen, in denen die eigene Verantwortung im direkten Kontakt mit anderen erlebbar wird – so wie beim Shared Space Ansatz. Dann übernehmen wir auch Verantwortung – für uns und für andere.

Hier nochmal für euch unsere LabSamples auf einen Blick. Lasst euch gerne davon inspirieren und probiert etwas Neues aus:

Delegation Poker – Verantwortung neu verhandeln
Der Dreiklang der geteilten Führung – Starke Führung ist geteilte Führung

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