Autor: Frank Hörhold
Nun liegt meine jährliche Fortbildungsreihe schon wieder ein paar Wochen hinter mir. So wie in nahezu jedem Jahr war ich zwischen Ende Januar und Anfang Februar tagsüber ein wenig müde. Aber so ist das, wenn ich abends ab 22 Uhr auf Fortbildung bin.
Allerdings war in diesem Jahr etwas anders. Ich habe mich getraut und meinen Kollegen von dieser wunderbaren Veranstaltung berichtet. Mit dem Erfolg, dass sie mir fast die Zusammenarbeit aufgekündigt hätten.
Die Fortbildungsreihe heißt nämlich „Dschungelcamp – Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“
Womit ich meine Daseinsberechtigung im CollaborationLab retten konnte, möchte ich mit diesem Artikel auch mit euch teilen. Für mich lassen sich in diesen rund zwei Wochen eine Menge Teamdynamiken erkennen, die ich auch schon in so einigen Teams beobachten durfte, die einfach nur zusammengearbeitet haben oder zusammenarbeiten sollten.
Und so komme ich zu meiner offenen Frage: Sind wir nicht alle ein bisschen Dschungelcamp?!
Wenn ich einen Blick auf das Format werfe, ist natürlich klar, was der Sender bezweckt: Schließe einen Haufen besonderer Menschen zusammen ein, schicke sie in herausfordernde Situationen, warte ein bisschen, die Konflikte werden kommen und die Einschaltquoten werden steigen. Dazu trägt natürlich auch ein exquisites Casting bei.
Aus meiner Rolle betrachtet, lassen sich dadurch eine Menge Hypothesen aufstellen, wann welcher Camper in welcher Stärke eskalieren wird oder welche Gruppen sich wann zusammenschließen werden. Eine perfekte Situation also für mich, um meine Skills zu schärfen.
Natürlich folgen die Dschungelcamper über die Fortbildungs- oder vielleicht besser Versuchszeit einem unsichtbaren Drehbuch, das Bruce Tuckman und Meredith Belbin in ihren sozialdynamischen Modellen beschrieben haben. Lasst uns zunächst einen Blick auf die Phasen der Teamentwicklung von Bruce Tuckman werfen.
Er unterteilt die Entstehung eines Teams in vier Phasen:
Forming – die Organisationsphase
Diese Phase beschreibt den Beginn eines Teams. Die Teammitglieder treffen aufeinander, lernen einander kennen und sammeln erste Eindrücke. Der Umgang untereinander ist noch verhalten, förmlich und von höflicher Distanz geprägt.
Storming – die Konfrontationsphase
Die Stormingphase ist unter den Teamentwicklungsphasen eine der kritischsten. Hier kommen erste Konflikte im Team auf. Unzufriedenheit mit der Rollenverteilung, Widerstand gegen den Einfluss der Gruppe, emotionale Antworten auf gewisse Anforderungen etc. treten an die Oberfläche und werden sichtbar. Das geht mit einem hohen Maß an Frustration, Enttäuschung und Ärger einher.
Norming – die Organisationsphase
Die Normingphase ist die direkte Konsequenz der Konfliktphase, wenngleich sie auch fließend mit dieser wechseln kann. Hier werden Strukturen, Normen, ordentliche und offene Umgangsformen und routinierte Abläufe gefestigt. Am Ende dieser Phase konnten Konflikte überwunden werden und ein Team-Spirit stellt sich ein.
Performing – die Leistungsphase
In dieser Phase steht nicht mehr die Entwicklung des Teams im Vordergrund. Die ganze Energie des Teams kann sich nun auf die Erledigung der eigentlich festgelegten Aufgabe konzentrieren. Die Struktur ist so etabliert, dass sie die Zielerfüllung unterstützen kann und auch die ausführenden Personen sind voll aufeinander abgestimmt. Die Stimmung ist gut und sowohl kleine als auch große Erfolge werden gemeinsam gefeiert.
Wenn ihr mehr darüber erfahren wollt, werft doch einmal einen Blick auf unser Labsample „Die Team-Uhr“.
Wenn wir mit der Kenntnis dieses „Drehbuchs“ auf das Verhalten der Dschungelcamper schauen, werden wir schnell feststellen, wie gut die Castingabteilung gearbeitet hat. Im Dschungel soll die Forming-Phase so schnell wie möglich abgeschlossen werden. Denn spannend sind für die Zuschauenden doch erst die Konflikte und die Versuche Einzelner die Norming-Phase einzuleiten. Hier ging es auch in diesem Jahr hart zur Sache. Denkt nur einmal an die Szene, in der Eric sich in einer Prüfung verweigerte, weil er es aus Enttäuschung über einzelne Teammitglieder ablehnte, Essen für die Gruppe zu erspielen. Sofort ging es zurück ins Storming.
Darüber hinaus wurden Untergruppen gebildet, enttäuscht wieder verlassen, Einzelgänger wurden sichtbar, genauso wie Teamplayer und das im wunderbaren täglichen Wechsel unterstützt durch herausfordernde Aufgaben. Ein Beobachtungsfest für jeden Teamentwickler.
Norming und Performing kommen im Dschungel kaum zum Tragen, lediglich in den letzten Tagen und im Finale lassen sich Ansätze erkennen. Sie sind aber zu beobachten und zeigen, dass das unsichtbare Drehbuch immer funktioniert.
Es folgt der zweite Aspekt des unsichtbaren Drehbuchs: die Rollen im Team, die Meredith Belbin in seinem Modell beschreibt.
In seinem Modell unterscheidet Meredith Belbin drei Rollenarten mit jeweils drei Rollen:
Handlungsorientierte Rollen
- Die Macherin/der Macher
Sie/Er treibt an und formt viele Teamaktivitäten, Diskussionen und Ergebnisse. Dabei arbeitet sie/er gut unter Druck. Sie/Er überwindet Probleme, ist ungeduldig, dominant und extrovertiert.
- Die Umsetzerin/der Umsetzer
Sie/Er setzt Ziele und Projektskizzen in Arbeitspläne um und führt sie systematisch aus. Dabei ist sie/er sehr diszipliniert und effizient darin Ideen in Aktionen umzusetzen.
- Die Perfektionistin/der Perfektionist
Sie/Er vermeidet Fehler und Versäumnisse und stellt damit optimale Ergebnisse sicher. Dabei ist sie/er sehr gewissenhaft, ängstlich und hält die Fristen ein.
Kommunikationsorientierte Rollen
- Die Koordinatorin/der Koordinator
Sie/Er organisiert und kontrolliert die Teamaktivitäten und achtet auf die Nutzung der vorhandenen Ressourcen. Dabei ist sie/er extrovertiert, selbstsicher und hat die Entscheidungsfindung im Fokus.
- Die Teamarbeiterin/der Teamarbeiter
Sie/Er hilft effektiv zu arbeiten und achtet auf den Austausch untereinander. Dabei ist sie/er kooperativ, einfühlsam, diplomatisch und baut Spannungen ab.
- Die Wegbereiterin/der Wegbereiter
Sie/Er hat die Umgebung des Teams im Blick und entwickelt nützliche Kontakte. Dabei ist sie/er extrovertiert, kommunikativ, visionär und häufig dominant.
Wissensorientierte Rollen
- Die Erfinderin/der Erfinder
Sie/Er bringt neue Ideen und Strategien ein und sucht nach guten Lösungen. Dabei ist sie/er introvertiert, kreativ, häufig dominant und verfügt über eine gute Problemlösungsfähigkeit.
- Die Beobachterin/der Beobachter
Sie/Er untersucht neue Ideen und Strategien auf ihre Machbarkeit und ihren praktischen Nutzen für die Ziele des Teams. Dabei ist sie/er nüchtern analytisch, eher introvertiert, eher still und sollte angesprochen werden.
- Die Spezialistin/der Spezialist
Sie/Er ist auf den fachlichen oder technischen Teil der Arbeit konzentriert und verfügt über umfangreiche Fähigkeiten in der Tiefe. Dabei ist sie/er selbstbezogen, sehr antriebsstark, wirkt häuft zerstreut und ist tief im Detail.
Alle diese Rollen müssen nicht ausschließlich durch eine Person besetzt sein. Häufig hat ein und dieselbe Person auch mehrere Rollen im Team. Hier besteht die Herausforderung dann darin, Klarheit in der jeweiligen Rolle zu haben. An diesen Schnittstellen entstehen dann auch gerne Konflikte, die ich in meiner Fortbildungsreihe natürlich liebend gerne beobachte und auch hier meinen Blick schule. Darüber hinaus kann ich mich natürlich darauf verlassen, dass für die dominanten Rollen auch extrem starke Persönlichkeiten gecastet wurden. Durch die daraus entstehende Überzeichnung lassen sich für meinen Alltag wertvolle Kenntnisse gewinnen.
Hier kommt mir sofort der ehemalige Fußballprofi Thorsten Legat in den Sinn, der mit dem Motivationsruf „Kasalla“ sich und das Team unaufhörlich zusammenschweißen wollte. Für den Alltag „abgeschwächt“ bleibt stehen, wie wichtig die akzeptierte Rolle des positiven Antreibers für das Team ist.
Und nun ganz ehrlich! Ist nicht überall ein bisschen Dschungel in den Teamdynamiken?
Die beiden genannten Modelle sind aber auch nur ein Ausschnitt der Dinge, die sich beobachten lassen. Vielleicht haben ja noch mehr von euch die Fortbildung besucht? Welche Modelle habt ihr gesehen, die Anteil am unsichtbaren Drehbuch haben? Schreibt mir gern und lasst uns gemeinsam lernen.
Ich möchte den Blog aber nicht schließen, ohne darauf hinzuweisen, dass dieses unsichtbare Drehbuch auch ohne perfektes Casting funktioniert. Wir erleben das täglich in den Teams, mit denen wir im CollaborationLab arbeiten. Die Kunst besteht darin, die unterschiedlichsten Rollen und Persönlichkeiten möglichst ohne große Reibungsverluste durch die Phasen der Teamentwicklung zu führen.
Ein letzter Tipp zum Abschluss:
Werft einmal einen Blick auf unser LabSample „Effectuation“ und hier insbesondere auf das Prinzip der Vereinbarung und Partnerschaften. Ihr werdet schnell feststellen, dass die gemeinsame Energie für ein Ziel oder eine Vision der größte Treiber für Teamperformance ist. Es braucht dafür keine aktive Besetzung oder Suche nach fehlenden Rollen. Vertraut darauf, dass sich die Rollen durch die Menschen, die mitmachen wollen, besetzen werden!
Und ganz zum Schluss muss ich noch darauf hinweisen, dass sich im Dschungel immer der „gute“ Teamplayer den Platz auf dem Thron erspielt. In diesem Jahr war es Filip.
In diesem Sinne bleibt neugierig!
PS: Bei all den Dynamiken im Team ist es sehr wertvoll, wirksame Werkzeuge zur Konfliktlösung in der Hand zu haben. Kommt dazu gerne am 31. März in unseren Workshop „Konflikt-Lösungs-Kompetenz“.
LabSample