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Warum der Baum doch immer brennt?

Autor: Rebecca Hanker

Dezember: Zeit der Besinnlichkeit, Weihnachtsdüfte, Jahresabschluss, gute Vorsätze und Streit! Streit? Ja, Streit!

Und zwar jedes Jahr aufs Neue. Streit unter dem Weihnachtsbaum ist laut Statistik bei vielen Familien ganz normal. Gründe zum Streiten gibt es immerhin zu Weihnachten reichlich:

Wo wird gefeiert? Mit wem wird gefeiert? Wer kocht? Welche Deko hängen wir auf? Wer besorgt welche Geschenke? Wer putzt, wenn alle wieder weg sind?

Der aufkommende Konflikt wird natürlich dadurch geschürt, dass Menschen oft eine romantische Vorstellung mit dem Weihnachtsfest verknüpfen, die aber in der Realität nicht mit den Bedürfnissen Aller übereinstimmt. Und dann kann es auch schon mal „knallen“.

Um die Erfüllung von Bedürfnissen geht es aber natürlich nicht nur zu Weihnachten, sondern das gesamte Jahr. Daher sind Streit und Konflikt eigentlich etwas ganz Normales und können in vielen Fällen sehr nützlich und reinigend sein. Und genau deswegen geht es bei uns im Dezember zum Jahresabschluss um das Thema Konflikt.

Never let a good crisis go to waste

Egal ob privat oder im Berufsleben, wir leben in einer ziemlich konfliktscheuen Gesellschaft. Aber warum ist das so?

Offensichtlich haben wir erst mal kein Interesse daran, jemanden zu verletzen oder selbst verletzt zu werden. Wir haben einen generellen Wunsch nach Harmonie und in uns die Angst, diese zu gefährden. Wir tragen daher Konflikte oft mit uns herum oder sogar mit uns selbst aus, statt mit der betreffenden Person.

Durch die Globalisierung und die Digitalisierung koexistieren allerdings immer mehr Kulturen, Religionen, Interessen, Werte, Ansichten und Gewohnheiten in einem gemeinsamen Raum. Es wird also immer wichtiger, Konflikte nicht zu vermeiden oder nur zu lösen, sondern dem Konflikt ein ganz neues Narrativ zu geben. Der Konflikt als Chance oder Startpunkt, Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Egal ob privat oder im Job: Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten ist wichtig. Daher frei nach Winston Churchill: Never let a good crisis got to waste.

New Leadership and new ways of fighting?

Auch bei unserer Arbeit mit unseren Kunden nehmen wir eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Thema Konflikt wahr und vor allem mit dem Wunsch der Stärkung von Konfliktlösungskompetenz bei ihren Führungskräften und den Mitarbeitenden generell.

Immer dann, wenn mehr Verantwortung und Selbstorganisation in Teams abgegeben werden und die regulierende Kraft der Führungskraft nicht mehr so im Vordergrund steht, ist es für alle Beteiligten ratsam, einen größeren Fokus auf Konfliktlösungskompetenzen zu legen. Gerade bei agilen Arbeitsweisen wird die Bedeutung von sozialen und persönlichen Kompetenzen höher bewertet und dementsprechend eingebracht. Es sollte eine große Offenheit in den Teams herrschen über Probleme und Hindernisse zu sprechen.

Damit dies gelingen kann, bedarf es bei den neuen Formen der Führung und Zusammenarbeit ein Umdenken von der Geschäftsleitung bis hin zum einzelnen Mitarbeiter. Konflikte offensiv sichtbarer zu machen und Störungen Vorrang zu geben, ist oft eine große Veränderung und für Mitarbeitende nur möglich, wenn es einen Rahmen der psychologischen Sicherheit gibt.

Um Konflikte nachhaltig erfolgreich zu lösen, bedarf es auch im Berufsumfeld einen Blick hinter Positionen und Interessen hin zu den individuellen Bedürfnislagen der Beteiligten. Gerade Führungskräfte dafür zu sensibilisieren, in Konfliktsituationen offen zu beschreiben, wie sie sich fühlen und warum und welche persönliche Bedürfnislage für sie gerade tatsächlich hinter dem Sachkonflikt steht, kann ganze Teamdynamiken zum Positiven verändern und zu nachhaltigen Lösungen führen. Vorbild sein ist hier, wie so oft, ein Schlüsselmoment, um auch andere zu animieren, die persönlichen Bedürfnisse im Team zu teilen und so mögliche Konfliktherde schon proaktiv anzugehen.

Always asume good intentions!

Es ist also definitiv Zeit für ein neues Konfliktverständnis. Und daher vielleicht auch für gute neue Vorsätze für das nächste Jahr: bedürfnisorientierter streiten! Und vielleicht lohnt sich ja diesbezüglich mal ein ganz persönlicher Blick auf euren Konflikttyp und eure Jahreskonfliktbilanz.

Aber bevor wir dies tun, werfen wir kurz noch einen Blick auf unser Menschenbild. Sehen wir Menschen als kooperative Wesen oder als machthungrig und im Kern nur daran interessiert, die eigenen Interessen durchzusetzen? Dies hat möglicherweise Einfluss auf unsere Grundhaltung und die Tatsache, wie wir uns in konfliktären Situationen verhalten.

Nach neuesten soziobiologischen Erkenntnissen sind Menschen von Natur aus auf Kooperation ausgelegt. Kooperation sichert unser Überleben. Alte Denkmuster wie „Jeder gegen jeden“ und „der Stärkste überlebt“ werden langsam, aber sicher durch aktuelle Forschungsergebnisse abgelöst. Gewalt und Aggression sind keine menschlichen Urinstinkte, sondern treten erst auf, wenn der soziale Ausschluss einer Gruppe droht oder wichtige soziale Bindungen in Gefahr sind. Ohne menschliche Zuneigung können wir nicht überleben. Also, wenn es um Konflikte geht, sollten wir immer annehmen, dass auch mein Gegenüber an einer gemeinschaftlichen Lösung interessiert ist: Always asume good intentions!

Bedürfnisse über Bedürfnisse

Nun sind wir also auf Kooperation ausgelegt. Wie kommt es dann trotzdem zu so vielen Konflikten und wie kann man diese nutzen, um in eine gemeinsame Gestaltung zu gehen?

Aus unserer Sicht ist ein Hauptgrund dafür, dass es in unserer Gesellschaft sehr verbreitet ist, über unsere Interessen zu sprechen. Wirkliche Konflikte sind aber keine zu klärenden Sachfragen. An diesen entzünden sich Konflikte, aber dahinter liegen unsere Gefühle und Bedürfnisse, die verletzt oder nicht erfüllt worden sind. Um Konflikte zu lösen, müssen wir lernen, zu reflektieren, was genau uns eigentlich innerlich in konfliktären Situationen antreibt und dies offen auszusprechen.

Was kann nun aber helfen, um sich für Konflikte zu wappnen?

1. Man braucht sich nicht streiten, wenn es keine gemeinsame Zukunft gibt

Wir sollten uns immer fragen, ob sich der Konflikt lohnt. Stellt euch immer die Frage, ob ihr mit der Person oder Organisation noch eine gemeinsame Zukunft habt. Wenn man sich beispielsweise nie wieder begegnet, lohnt es sich eventuell nicht, hier Energie reinzustecken. Dem eigenen Bedürfnis der Klärung sollte natürlich immer nachgegangen werden, wenn ihr dieses habt.

2. Das Opfer gibt es nicht

Einen Konflikt kann es nur geben, wenn ihr darauf eingeht. Denn ganz einfach: Zu einem Konflikt gehören mindestens zwei. Eine Person, die handelt und ebenso jemanden, der darauf eingeht. Also befreit euch aus der Opferhaltung, wenn es Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte gibt.

3. Es gibt nicht eine Realität

Jeder Mensch bewertet seine Realität auf eigene Weise. Das genau gleiche Ereignis kann von zwei unterschiedlichen Menschen auch völlig unterschiedlich wahrgenommen, interpretiert und erinnert werden. Macht euch das bei jedem Konflikt bewusst. Eure Sicht der Dinge ist nicht automatisch die Wahrheit. Denn die gibt es nicht.

4. Es braucht Ambiguitätstoleranz und Perspektivwechsel

Die Welt ist voller Mehrdeutigkeiten und Widersprüche. Sie sind oft Basis für Konflikte. Unterschiedliche Menschen bewerten Alternativen auf unterschiedliche Weise. Meist basierend auf ihren bisherigen Erfahrungen. Ambiguitätstoleranz ist die Fähigkeit, diese Widersprüche aushalten zu können. Macht euch das bewusst, wenn ihr über Entscheidungen streitet. Euer Bewertungsmaßstab ist durch eure Erfahrungen anders als der eures Gegenübers. Versucht doch mal die andere Perspektive anzunehmen, indem ihr euch die Beweggründe des Gegenübers genau erklären lasst. Und dann heißt es: Aktiv zuhören.

5. Ziel des Konflikts ist der gemeinsame Vorteil fokussiert auf die Erfüllung unserer Bedürfnisse

Konflikte sind wirklich gewinnbringend, wenn nicht eine Person nachgibt und die andere an ihrer Sicht festhält oder ein Kompromiss gefunden wird. Besonderes Potenzial entfalten Konflikte, wenn das zukünftige Weitermachen mit einem gemeinsamen Vorteil verbunden werden kann. Hier liegt die Kraft von Innovation. Das gelingt nur, wenn beide Bedürfnisse gehört und bei der Lösungsfindung berücksichtigt werden. Gibt es eine Lösung, die beiden Vorteile bringt?

Das war also des Pudels Kern

Die Chance, den Kern von Konflikten nachhaltig zu lösen, steigt immens, wenn beide Parteien klar benennen, welches Bedürfnis eigentlich hinter den gegenteiligen Interessen steht. Um dies zu reflektieren, kann es helfen, herauszufinden, welcher Konflikttyp man eigentlich ist. Das „Thomas- Kilmann-Konflikt- Modell“ mit den fünf unterschiedlichen Konflikttypen, entwickelt von Kenneth Thomas und Ralph Kilmann, ist dafür äußerst nützlich. Es zeigt, wie sich Menschen in Konfliktsituationen typischerweise verhalten. Entweder sie setzen sich durch, sie vermeiden den Konflikt, sie geben nach, sie schließen Kompromisse oder sie erarbeiten gemeinsam tragfähige Lösungen.

Wir haben das Modell in unserem LabSample etwas modifiziert, um die Bedürfnisorientierung mehr in den Fokus zu stellen und auch um euch aufzuzeigen, welche Ergebnisse die unterschiedlichen Stile unserer Ansicht nach in konfliktären Situationen erzielen können. Probiert es gern mal aus, denn unser eigenes Konfliktverhalten bestimmt den Ausgang von Konflikten maßgeblich.

Ihr sitzt gerade an eurem Jahresabschluss? Wie wär´s, wenn ihr mal weg von Zahlen hin zu euren Konflikten schaut und Bilanz zieht. Denn wir glauben, da gibt es in Zukunft noch viel zu holen!

Welche Konflikte haben euch dieses Jahr wirklich beschäftigt und konnten nicht zu eurer Zufriedenheit geklärt werden? Wisst ihr, welches Bedürfnis hinter dem Konflikt lag? Welche Lösung hätten allen Parteien einen Vorteil gebracht? Wie könntet ihr in Zukunft mit einer ähnlichen Situation umgehen?

Ein guter Moment, um mal innezuhalten, zurückzuschauen und für das nächste Jahr daraus zu lernen. Eine Bilanz mit Potenzial! Probiert es gern mal aus und geht in die Reflexion mit unserem letzten LabSample für dieses Jahr: der „Jahreskonfliktbilanz“.

Manche Konflikte sitzen allerdings so tief, dass man diese selbst nicht mehr lösen kann. Dann hilft nur noch eine professionelle Mediation. Ein gutes Mittel, welches wir immer empfehlen, wenn beide Seiten eigentlich nur noch verlieren können.

„Prototyp Weihnachten 2.0 – so friedlich wie nie“

Was nehmt ihr nun für die Gestaltung eures Weihnachtsfests mit? Wie stellt ihr euch euer Weihnachtsfest vor? Welche Bedürfnisse stehen hinter euren Vorstellungen? Habt ihr diese schon in eurem Umfeld kommuniziert? Sind sie verstanden worden? Wie sieht es bei den anderen aus? Was ist Ihnen wichtig? Gibt es kreative Lösungen, damit alle Bedürfnisse eurer Familie Raum bekommen? Vielleicht wird es Zeit für einen neuen gemeinsam entwickelten Prototypen: „Weihnachten 2.0- so friedlich wie nie!“ Dafür braucht es vor allem zwei Dinge: Bedürfnisklarheit und Besprechbarkeit und dann steht einem friedlichen Weihnachten nichts mehr im Wege.

Wir wünschen euch frohe Weihnachten, einen guten Start ins neue Jahr und viele Konflikte aus denen sich neue Chancen entwickeln.

LabSample

Thomas-Kilmann-Konflikt-Modell
Jahreskonfliktbilanz

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