Autor: Frank Hörhold
Wenn ich rückblickend auf meinen derzeitigen Arbeitsalltag schaue, komme ich zunehmend mit Menschen in Kontakt, die sehr belastet ausschauen und auch direkt von dieser Belastung sprechen, wenn ich nachfrage.
Konkret kommt mir ein Meeting mit einem Team aus der letzten Woche in den Sinn, das ich regelmäßig als Agile Coach begleite:
Schon beim Check-in wirkten alle gehetzt. Bei der Frage nach den Hindernissen werden Dinge genannt wie ein dringendes Telefonat, das erwartet wird, ein paralleles Meeting, das eigentlich verschoben war, oder einfach nur der „auf Kante“ gesetzte Anschlusstermin.
Inhaltlich war ein Planungstreffen vorgesehen. Es sollte darum gehen, dem Team Raum zu geben, den nächsten Entwicklungsschritt in den Fokus zu nehmen und Unterstützungswünsche zu formulieren.
So weit kam es dann allerdings nicht mehr, denn ich fragte noch einmal, wie es wirklich geht…
Viele berichteten dann von extrem vielen Terminen, einem hohen Workflow, von zu wenig Zeit im Austausch, sowohl auf der Arbeits-, als auch auf der Sozialebene. Fast alle sitzen im Moment noch vorwiegend im Homeoffice und springen von einem digitalen Meeting ins Nächste. Viele sprachen von einem hohen Kontrollbedürfnis der Führungskräfte und von wenig Reflexion und konstruktivem Feedback.
Kurz: Jedes einzelne Teammitglied fühlte sich nicht gesehen und daher auch irgendwie „lost im digitalen Space“!
Als ich dann nach einer genaueren Beschreibung von diesem „lost“ fragte, bekam ich eine Antwort, die ich mit einem fehlenden Rahmen und keinem klaren, gemeinsamen Ziel in Verbindung bringe. Die Frage, „wer macht wann, was, wozu?“ kann nicht beantwortet werden.
Dies führt zu einer Entkopplung von allen Bausteinen der Zusammenarbeit:
– stabiles Vertrauen
– tragfähige Beziehungen
– geteilte Verantwortung
– akzeptierte Entscheidungen
– gemeinsame Ausrichtung
Dazu folgende These: Diese Entkopplung von den Erfolgsfaktoren gelingender Zusammenarbeit, wird in der Post-Corona-Zeit zu vielen eskalierenden Konflikten führen, wenn die Menschen alle wieder zunehmend an einem Ort im Unternehmen arbeiten.
Viele Unternehmen haben es aus meiner Sicht verpasst, die Formen und damit auch die Prinzipien der Zusammenarbeit zu überprüfen und anzupassen. Diese Gefahr besteht jetzt ein weiteres Mal bei der Rückkehr der Menschen in die Unternehmen. Denn wir werden nicht einfach zum alten Status Quo zurückkehren. Es wird sich vieles neu justieren, Abläufe und Prozesse müssen angepasst werden. Menschen werden auch wieder mehr persönlichen Kontakt haben, manche bleiben eventuell im Homeoffice. Eine Art hybride Arbeitsrealität wird entstehen. Dies wird unweigerlich auf vielen Ebenen Konflikte entstehen lassen.
Hier bietet sich die Chance, die Bedürfnisse der Individuen, der Teams, der Führungskräfte und damit der gesamten Organisation besser in den Blick zu nehmen.
Mein Appell: Lasst uns einen Rahmen schaffen, in dem die Prinzipien der Zusammenarbeit angepasst und neu in den Fokus genommen werden können.
Dazu braucht es einen definierten Gestaltungsraum, Zeit, Gestaltungswillen und anschließende Überprüfung.
Kurz: Die Rahmenbedingungen für eine Verantwortungskultur.
Mit dem oben beschriebenen Team bin ich dann spontan in eine Retrospektive gegangen. Wir haben die vergangenen Wochen in den Fokus gestellt und die Prinzipien der Zusammenarbeit angepasst und konkretisiert.
Die hier investierte Zeit war aus meiner Sicht gut investiert, da die Aufarbeitung der sonst entstehenden Konflikte viel Produktivität gekostet hätte.
Das Planungstreffen werden wir nachholen, denn unter dem Aspekt der Produktivität haben Störungen Vorrang.
Bleibt neugierig und mutig!
Habt Ihr ähnliche Erfahrungen? Oder ganz andere Beobachtungen…
Hier nochmal für euch unsere LabSamples auf einen Blick. Lasst euch gerne davon inspirieren und probiert etwas Neues aus:
LabSample Prinzipien der Zusammenarbeit
LabSample Yacht Retro